Viele-Sein

Viele-Sein

das Podcast zum Leben mit dissoziativer Identitätsstruktur

Transkript

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Hallo und herzlich Willkommen zu diesem Format von vielen Schrägstrich, was helfen könnte, einer kleinen Folge zum Thema innere Kommunikation für eine Person, die uns geschrieben hat. Die Person beschreibt, dass sie viele ist und dass sie sich fragt, wie sie alle unter Kontrolle halten kann, weil sie überhaupt keinen Einfluss darauf hat, wer gerade da ist, dass alle kommen und gehen, wie sie wollen. Und das ist einfach leider keine Kommunikation untereinander gibt, so dass diese Person morgens aufsteht und abends ins Bett geht und eigentlich nicht weiß, was in der Zwischenzeit passiert ist. Und sie würde gerne wissen, wie wir es geschafft haben, unsere Personen so zu koordinieren, dass ein sinnvolles Mit und untereinander entsteht. Die Person schreibt, dass sie schon sehr lange Therapie macht, aber bis jetzt noch keine wirkliche Kommunikation ihrer Personen untereinander herstellen konnte. Ich denke, dass das Problem viele haben. Viele, viele. Gerade wenn sie anfangen in Therapie zu gehen und sich damit befassen. Was ist eigentlich gerade los? Wie kriegen wir das hier irgendwie hin? Und ich glaube, ich habe das schon in anderen Podcasts gesagt, in so einer Phase von viel Chaos oder viel vermeintlichem Chaos ein Kontrollbedürfnis zu haben und dann zu versuchen okay, wie kriege ich jetzt am besten Kontrolle, innere Kommunikation? Das ist eine Gedankenkette, die nicht funktionieren kann, die nachvollziehbar ist aus diesem Kontrollbedürfnis heraus, weil Kontrolle möchte man ja auch, um sich sicher zu fühlen. Und ja, Sicherheit ist ein guter Faktor gegen Angst. Also ist es logisch, dass diese Gedankenkette entsteht. Jetzt ist es aber so, dass innere Kommunikation etwas ist, das eher ein Ergebnis von all den Dingen ist. Also innere Kommunikation entsteht durch Sicherheit, durch Klarheit, durch Ordnung, durch gewisse Kontroll und Einflussmöglichkeiten, die man so nutzt und gezielt einsetzen kann. Um die Episode kurz zu halten, habe ich ein Sheet aufgeschrieben, in dem so bestimmte Punkte aufgestellt sind. Die lese ich jetzt vor, hänge Sie auch in die Shownotes dieser Podcastepisode und sag kurz was dazu. Erstens: Wenn es um innere Kommunikation geht, musst du eine Klarheit darüber haben, was für dich "innerlich" bedeutet und was "Kommunikation" für dich bedeutet. Du musst dir klar machen, dass nicht alles, was dir von dir fremd vorkommt, auch ein innerer Prozess ist. Manches von dem, worauf du reagierst, ist initial von außen. Das kommt von Situationen, von Triggern, von bestimmten Umständen, in denen du bist. Du kannst durch innere Kommunikation nicht auflösen, dass dir Dinge im Außen Angst machen und dass du darauf reagierst. Was innere Kommunikation in solchen Momenten für dich leisten kann sozusagen, ist im Nachhinein rauszufinden: Ah, das war ein Trigger. Ah, hier, die Umstände sind nicht gut für mich. Aha, in Situationen wie bei denen, bei der Arbeit oder jetzt in dem Beispiel von der Person, die mir per Mail geschrieben hat, okay, morgens beim Aufstehen ist irgendwas da, was mir die Kontrolle über mich nimmt. Da hilft dann aber erstmal keine innere Kommunikation. Da hilft eine gewisse Klarheit darüber, was ist innen, was ist außen. Um sich klar zu machen, wo innere Kommunikation überhaupt gebraucht wird, ist es wichtig, diese Grenzen überhaupt erst mal zu etablieren und wahrzunehmen. Zweitens: Definiere die Ziele deiner Kommunikation. Kommunikation ist ein Verbindungstool. Das sorgt dafür, dass du dich in Kontakt mit etwas oder jemanden empfinden kannst, setzen kannst, womit du mit anderen in Kontakt bleiben kannst und womit du die Art und Weise eines Kontakts gestalten kannst. Das heißt, Kommunikation ist erstmal nicht nur eine Sache, es ist nie immer nur ein Kanal, sondern beide Seiten und es hat etwas mit Verbindung zu tun. Kontrolle hingegen ist eher ein Tool, um Sicherheit zu schaffen. Durch Trennung, durch Abstand. Es ist eher ein Tool der Trennung. Also wo man kontrolliert, setzt man gewissen Druck ein. Setzt man gewisse Grenzen ein, setzt setzt man einen gewissen Abstand voraus oder durch. Natürlich kann durch Kommunikation auch Kontrolle hergestellt werden, aber vom impliziten Grundziel ist Kontrolle etwas anderes als Verbindung. Und da braucht es eine gewisse Klarheit. Was will ich kommunizieren können? Was will ich an andere herantragen können? Wie will ich mit anderen in Kontakt sein? Und was ist es, was ich davon haben will? Denn es ist einfach so, auch wenn du alle deine Personen, deine Persönlichkeiten, deine Innies, deine Innens, deine Anderen, auch wenn du sie sehr fremd wahrnimmst - sie gehören zu dir. Sie sind du in einem anderen Zustand, in einem anderen Mindset, in einer anderen Überzeugungshaltung und so weiter und so fort. Aber es ist immer du selbst und der Grund, weshalb man von innerer Kommunikation spricht als etwas, was man herstellen will. Bei Menschen, die viele sind, ist der Umstand, dass diese Verbindung häufig negiert wird oder nicht so gut wahrgenommen werden kann oder sich sehr fremd anfühlt. Aber sie ist da und sie muss gepflegt werden. Und sie kann besser gepflegt und etabliert werden, wenn man das Ziel der Verbindung hat und nicht das Ziel der Kontrolle. Und das muss man natürlich aushalten können. Und um aushalten zu können, dass da eine Verbindung ist, braucht es gewisse Ressourcen. Die musst du - drittens - prüfen. Prüfe deine Ressourcen. Etwas wollen bedeutet nicht gleich auch etwas können. Nur weil du eine gewisse Kommunikation herstellen kannst, heißt es nicht, dass du sie auch aufrechterhalten kannst. Heißt es nicht, dass du sie konstant halten kannst, heißt es nicht, dass du sie zu jedem Zeitpunkt aufrechterhalten kannst. Und nur weil du eine herstellen kannst, heißt es nicht, dass es in beide Richtungen funktioniert. Es kann sein, dass du ganz viel zu deinen anderen hin kommunizieren kannst, aber überhaupt nicht damit umgehen kannst, wenn die mal antworten. Und es kann dir bewusst so gehen, dass du merkst: "Immer wenn von denen was kommt, werde ich nervös, unruhig, will das gar nicht hören, kann das gar nicht aushalten." Oder dass es unbewusst ist, dass du was von den anderen merkst, aber gar nicht so weit darüber nachdenkst, sondern einfach handelst. Und zwar so, dass du das einfach gar nicht so deutlich merkst. Um innere Kommunikation als solches auszuhalten, braucht es Ressourcen. Hier ist eine Checkliste der Ressourcen, die ich für sinnvoll halte. Du brauchst innere und äußere Sicherheit. Du brauchst die Möglichkeit, die Fähig und Fertigkeiten, dich selbst zu regulieren. Das heißt, du musst auch merken können, wenn du nicht reguliert bist. Du brauchst Fähig und Fertigkeiten, um deinen Bedürfnissen zu entsprechen. Das wiederum heisst, du musst deine Bedürfnisse wahrnehmen können. Ausserdem ist es wichtig, dass du ein Tool zur Prüfung deiner Fortschritte hast. Viertens: Prüfe deine Kommunikation mit dir selbst, auch wenn du denkst, du führst Selbstgespräche. Wenn du so "Self Talk" machst. Hier ein Link auf die Episode mit Renée über Self Talk. Du sprichst in den Situationen auch mit anderen von dir. Die hören dir zu und wenn sie merken, wie du mit dir selber redest, dann kannst du ja mal überlegen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, wenn du scheiße mit dir redest, wie die Bock haben, mit dir zu sprechen. Was die glauben, wie du auf sie reagierst, wenn du schon mit dir selber so umgehst, wie du das tust. Sei dir selbst gegenüber konsistent, transparent, respektvoll und so, wie du für die anderen sein möchtest. Wenn dein Ziel sein sollte: "Okay, ich möchte mit den anderen in Verbindung gehen", dann ist deine beste Basis mit dir selbst richtig gut in Kontakt zu sein und mit dir selbst nachsichtig zu sein. Mit dir selbst geduldig zu sein, mit dir selbst nett zu sein. Und wenn du das Gefühl hast "Oh man, das kriege ich irgendwie gar nicht hin", ist mein Weg, mit dem ich jetzt gerade ganz erfolgreich bin, eigentlich andere Menschen zu kopieren. Also wann immer ich das Gefühl habe: "Jetzt war jemand wirklich nett mit mir oder jemand sehr lieb mit mir oder sehr geduldig mit mir, oder dieser und jener Kontakt war richtig angenehm für mich", dann präge ich mir das ein und versuche das zu wiederholen, mir selbst gegenüber, wenn eine ähnliche Situation ist, aber eine andere äußere Person nicht da ist. Also zum Beispiel wenn mir was runtergefallen ist, spiele ich in meinem Kopf eine positive Situation nach, in der jemand dann mit mir geduldig war oder gesagt hat "Ach, es ist gar kein gar kein Problem." Auf jeden Fall ist es sinnvoll, sich im Zuge dessen bewusst zu machen: "In welchen Situationen mit anderen Menschen fühle ich mich eigentlich gut? Wann haben die eigentlich gut mit mir gesprochen? Welche Kommunikation mag ich eigentlich?" und die dann zu suchen. Es kann sein, dass du in deinem Leben einfach nie darüber nachgedacht hast. Aber wenn du innere Kommunikation als Ziel hast, macht es Sinn, sich da ein Vorbild zu suchen. Anschließend daran fünftens: Trainiere deine Fähigkeiten zuzuhören. Leg dir eine Art Wörterbuch an, protokolliere deine Muster, deine Reaktionsmuster. Was hast du gesagt? Wie hat das auf andere gewirkt? Was wurde dir gesagt? Wie hat das auf dich gewirkt? Mach dir Notizen. Denken mit der Hand ist ein Ding. Wenn du es aufschreibst und dich noch mal direkt damit befasst. Und zwar nicht in einen Computer schreiben, sondern richtig. Stift. Zettel. Eine Stunde am Tag Zeit nehmen und sich die Situation vornehmen am Tag, mit denen man mit anderen Menschen gesprochen hat und das Durcharbeiten. Das erscheint viel, das erscheint verschwendet. Das ist vermutlich richtig anstrengend, wenn man viel vom Tag gar nicht erinnert. Aber wenn du dich hinsetzt und dafür öffnest, für diese Erinnerung an Gespräche an diesem Tag, wird es kommen. Denn schon damit kommunizierst du eine Offenheit nach innen. Auch das übst du in der Situation. Du übst zu "hören", was von innen kommt und hören ist dann als Metapher gemeint. Du übst eine gewisse Offenheit dafür zu haben, was für Impulse du aus dem Inneren bekommst. Was kommen da für Erinnerungen, wenn du daran denkst? Mit wem habe ich heute gesprochen und wie hat sich das für mich angefühlt? Suche vielleicht nicht den größten Streit des Tages aus, aber du kannst mit Sachen anfangen, die sehr unpersönlich sind. Zum Beispiel so eine Kassensituation. Wie viel hat es gekostet? Was hast du gefühlt? Was hast du gedacht? Fertig. Fang klein an, Steigere dich. Bis dann vielleicht auch irgendwann mal ein Streit geht. Aber es wird was kommen. Das kann ich dir versprechen. Und sei es irgendein allfälliger Gedanke. Sei es, dass du da sitzt und denkst. Was zum Teufel mache ich hier? Das ist totaler Quark. Schreib es auf, denn es ist eine Kommunikation, die gerade dann passiert. Deine Gedanken sind Teile deiner inneren Kommunikation und es ist wichtig, sie aufzunehmen und sie ernst zu nehmen und zu prüfen. "Okay, passt das? Was sagen die mir jetzt?" Ja? Nein? Was für Informationen verbergen sich darin? Sechstens: Akzeptiere, dass der Prozess immer leichter wird, aber endlos ist. Ich bin jetzt seit vielen Jahren in Therapie und habe das Gefühl, die innere Kommunikation, die ich aufgebaut habe, ist leichter geworden und in Teilen sogar so leicht, dass ich sie oft gar nicht mehr bemerke, weil sie sich sehr flüssig einfach einschmiegt. Ich brauche nicht mehr so kleinteilig darüber nachdenken, bevor ich eine Entscheidung treffe. Ich muss nicht mehr sehr bewusst nach innen "hören", in Anführungsstrichen, um wahrzunehmen, welche Gedanken und Gefühle es zu einer bestimmten Situation gibt oder gab. Das fällt mir nicht mehr sehr schwer. Es gibt aber nach wie vor Anteile, zu denen ich nicht viel Kontakt habe, mit denen ich nicht gerne spreche, wo ich die Kommunikation einfach nicht aushalten kann. Aber je mehr Erfahrung ich jetzt habe, desto leichter fällt es mir und desto einfacher ist es, darauf aufzubauen. Es ist schwieriger, mich zu verunsichern in Bezug auf meine Gefühle und Gedanken. Es ist schwieriger, mich zu verwirren. Die Orientierung, die ich heute haben kann, ist eine ganz andere, einfach dadurch, dass bestimmte Kommunikation einfach immer läuft. Es ist ein gewisser Automatismus geworden und der Kraftaufwand hat sich erheblich verringert. Am Anfang musste ich einfach auch noch sehr viele Ängste kompensieren, die mit Kommunikation als solches einhergeht, aber eben auch mit innerer Kommunikation. Das ist heute alles nicht mehr so schwierig, aber erforderlich war und ist, sich stets und ständig damit zu befassen. Also zu begreifen, dass innere Kommunikation deshalb wichtig ist, weil Kommunikation so wichtig ist in diesem Leben, in dieser Gesellschaft, zu dieser Zeit, in der wir jetzt gerade leben. Innere Kommunikation fällt fällt dir jetzt als Person, die viele ist vermutlich deshalb so schwer, weil du einfach sehr wenig Verbindung hattest. Du hast [vielleicht] viel Gewalt erlebt, das ist ein trennendes Erlebnis. Wir leben in einer Gesellschaft, in der man nicht besonders eng miteinander ist. Vielleicht waren deine Familienbünde nicht so besonders eng in dem Sinne, als dass sie etwas für dich getan haben und deinen Beitrag gewertschätzt haben oder überhaupt akzeptiert haben. Und so weiter und so fort. Das heißt, das, was du jetzt lernst als erwachsene Person, die hoffentlich keine Gewalt mehr erlebt, ist etwas, was als Basis bei Menschen, die nicht aus diesen Kontexten kommen, einfach da ist. Die haben schon einen großen, umfangreichen Fundus an Wissen, Spüren, Übung darin. In diesen Kontexten, in denen du dich jetzt gerade vielleicht neu befindest, zurechtzukommen. Du musst das üben und du musst das bewusster machen als andere erwachsene Menschen, die das alles schon als Kind geübt und gelernt haben. Deswegen geht es nicht so schnell, deswegen merkst du Ängste, deswegen bist du schnell irritiert, deswegen bist du unsicher und deswegen bist du vielleicht auch frustriert, wenn es nach vielen Jahren Therapie irgendwie immer noch nicht geht. Was du schauen kannst ist, gerade wenn du schon lange in Therapie bist, aber noch keine Fortschritte sind: "Ist das die Therapie, die du brauchst? Ist es etwas, was dir jetzt gerade wirklich hilft? Bist du mit deiner Therapeutin oder deinem Therapeuten wirklich an der gleichen Stelle? Arbeitet ihr gerade an den gleichen Dingen oder bist du vor allem bemüht darum, dem Therapeuten oder der Therapeutin zu vermitteln: "Hey, ich kann das ja alles noch gar nicht!" und die_r Therapeut_in sagt: "Ja, ja, das wird schon noch kommen."?" Das war ein Problem, das ich lange hatte. Es wurde irgendwie immer angenommen, dass ich damit irgendwie einen automatischen Zugang finden würde oder das intuitiv aus mir selber heraus einfach könnte. Dass ist nicht passiert, weil mir keiner gesagt hat, worum es dabei eigentlich geht. Lass dir von deiner Therapeutin oder deinem Therapeuten erklären, was sie oder er genau damit meint, wenn sie oder er von "innerer Kommunikation" spricht. Versucht es systematischer anzugehen und kleinschrittiger verständlich und für dich auch lösbar aufzubereiten. Du wirst merken, dass das etwas ist, was schwierig zu beschreiben ist, weil es dabei viel um Intuitionen geht geht und um viele Dinge, die nicht so gut zu benennen sind. Aber du musst das verstehen. Du musst wissen, worum es genau geht. Du musst diesen Punkt in dir selber finden können und diesen Kanal, diesen Kommunikationskanal in dir selber öffnen können. Das funktioniert nicht nur über etwas, das du tust oder nicht tust. Es funktioniert auch über diese Offenheit, von der ich gesprochen habe, und übers Dranbleiben und übers Wissen, worum es geht. Ich wünsche dir viel Erfolg. Bis zum nächsten Mal.

Über diesen Podcast

Ob durch Film oder Literatur - von Menschen, die Viele sind bzw. mit "multiplen Persönlichkeiten" leben, haben die meisten Menschen schon gehört. Wie es jedoch wirklich ist, das ahnen die wenigsten und wir wollen das ändern.

In diesem Podcast gibt es das Gespräch unter Betroffenen, die persönliche Auseinandersetzung, politische Kommentare, Ideen und Erfahrungsberichte zu (Selbst)Hilfe und die Besprechung der wissenschaftlich psychologischen Hintergründe der Diagnose.

von und mit Hannah C. Rosenblatt

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